Die Entwicklung der irakischen Rechtsordnung - Geschichtlicher Hintergrund

Die Entwicklung der irakischen Rechtsordnung - Geschichtlicher Hintergrund

Allgemeine Informationen

Der Irak ist ein multiethnischer sowie multireligiöser und -konfessioneller Staat. Bei einer Einwohnerzahl von ca. 38 Mio. (Schätzungen Stand 2016) liegt der Anteil von Muslimen laut Regierungsstatistiken bei ca. 97 %. Darunter sind anteilig schiitische Araber (ca. 55-60 %) und sunnitische Araber (ca. 25 %) sowie sunnitische Kurden (ca. 15 %), welche die drei größten Bevölkerungsgruppen ausmachen.

Hinsichtlich Ethnien und Konfessionen lässt sich der Irak grob in drei Regionen einteilen:

(1) Die Hauptstadt Bagdad sowie zehn weitere Provinzen des Zentral- und Südirak sind mehrheitlich von schiitischen Arabern bewohnt;
(2) die Autonome Region Kurdistan im Nordirak, welche die drei Provinzen Erbil (inkl. gleichnamiger Hauptstadt), Sulaimaniya und Dahuk umfasst, wird hauptsächlich von sunnitischen Kurden bewohnt;
(3) die Provinzen Anbar, Ninawa und Salahuddin werden überwiegend von sunnitischen Arabern bewohnt. Es gibt jedoch bedeutende Anteile ethnischer und/oder religiöser oder konfessioneller Minderheiten in allen Teilen des Irak.

Die, nach Arabern und Kurden, drittgrößte ethnische Gruppe im Irak sind die Turkmenen (Sunniten und Schiiten) (ca. 500-600.000), die in den nördlichen Gebieten, mit Konzentration auf die Stadt Kirkuk, siedeln. Darüber hinaus gibt es im Irak bedeutende Gruppen von Christen unterschiedlicher Konfessionen (armenische Katholiken und Orthodoxe, orthodoxe Assyrer, katholische und orthodoxe Chaldäer, Protestanten sowie die Syrisch-Katholische Kirche). Während sich die Anzahl der Christen im Irak vor 2003 auf ca. 800.000-1,4 Mio. belief, sind heute ca. 300.000 Christen im Irak verblieben. Weitere Minderheiten sind die Kaka’i (auch Ahl al-Haqq genannt) (ca. 110-200.000), die Schabak (ca. 200-500.000), die hauptsächlich im Nordirak siedelnden Jeziden (ca. 500.000), sowie eine geringe Anzahl an irakischen Juden.

Vom Regimewechsel zum gegenwärtigen Irak (2003-2018)

1979 erlangte Saddam Hussein die alleinige Macht innerhalb der Baath-Partei. Während seiner Amtszeit als Präsident kam es zum Iran-Irak-Krieg (erster Golfkrieg, 1980-1988) sowie zum zweiten Golfkrieg, in Reaktion auf die Besetzung von Kuwait (1991). Darauf folgten wirtschaftliche Sanktionen vonseiten der Vereinten Nationen, die den Irak wirtschaftlich schwächten und international isolierten. Der darauffolgende von der US-Militärkoalition geführte dritte Golfkrieg (2003) führte schließlich zum Ende des Baath-Regimes und der Macht Saddam Husseins im Irak. Der Irak wurde nun vorübergehend durch eine von den USA eingerichtete Zivilverwaltung (Coalition Provisional Authority) regiert. Im Januar 2005 erfolgten schließlich die ersten demokratischen Parlamentswahlen, gefolgt von weiteren Wahlen (im Dezember 2005, März 2010, April 2014 und Mai 2018), bei denen sich jeweils schiitisch dominierte Parteien durchsetzen konnten. Der aktuelle Ministerpresident des Irak ist Adil Abdul Mahdi (parteilos). Präsident des Irak ist Barham Salih von der Patriotischen Union Kurdistans.

Autonome Region Kurdistan

Im Nordirak liegt die autonome Region Kurdistan. Die kurdische Regionalregierung (Kurdistan Regional Government (KRG)) ist seit 2005, durch die von der irakischen Regierung verabschiedete föderale Verfassung, offiziell von der Zentralregierung als autonome Region anerkannt. Die autonome Region Kurdistan verfügt über unterschiedliche in der Verfassung festgelegte Kompetenzen, die auch die Rechtssetzung umfassen. Soweit keine Regelung in der Verfassung getroffen ist, werden hoheitliche Aufgaben durch die Region Kurdistan ausgeübt. Selbst bei einer gemeinsamen Zuständigkeit gehen Gesetze der Regionen dem Bundesrecht vor. Das kurdische Regionalparlament verfügt damit über bemerkenswerte gesetzgeberische Autonomie und hat im Laufe der letzten Jahrzehnte zahlreiche Gesetze verabschiedet, unter anderem ein eigenes Personalstatutsgesetz am 13. November 2008, Ebenso sind eigene Gerichte und ein Instanzenzug aufgebaut worden. Autonome Strukturen der Region gehen bereits bis in die 1990er Jahre zurück. In Reaktion auf ein von der KRG im September 2017 durchgeführtes Referendum zur vollständigen Unabhängigkeit vom Irak (ca. 90 % stimmten für die Unabhängigkeit), wurde kurdisches Militär (die Peschmerga) von der Zentralregierung aus mehreren Gebieten verdrängt. Zudem kam es infolge des Votums zu weiteren Einschränkungen der kurdischen Autonomie. Die Zentralregierung in Bagdad versucht indessen, eine kurdische Abspaltung zu verhindern sowie den territorialen Zusammenhalt des Irak zu bewahren.

Von der Entstehung des Irak als Nationalstaat zur Unabhängigkeit

Bis zur Gründung als Nationalstaat war der Irak Teil des Osmanischen Reiches. Die Städte Mosul im Norden, Bagdad im Zentrum und Basra im Süden des Irak, sowie die umliegenden Gebiete, waren seit dem 16. Jh. jeweils eigene osmanische Provinzen (wilâyât). Mit der Besetzung des Irak durch die Briten im Jahr 1914 endete die osmanische Herrschaft in diesen Gebieten. Im Zuge der Verwaltung ehemaliger osmanischer Provinzen durch die französischen und britischen Mandatsmächte bzw. infolge des Sykes-Picot-Abkommens von 1916 wurden die territorialen Grenzen des heutigen Irak, welche die drei Provinzen Mosul, Bagdad und Basra umfassten, festgelegt. Während der britischen Mandatszeit wurde der Irak zunächst direkt von den Briten regiert. 1921 etablierten die Briten im Irak eine parlamentarische Monarchie und setzten Faisal I. als ersten König des Irak ein.

Der Übergang von der Mandatszeit zur vollständigen Unabhängigkeit vollzog sich 1932, mit der Aufnahme des Irak in den Völkerbund und dem Ende des britischen Mandats. Ein von nationalistischen Militärs durchgeführter Militärputsch führte 1958 zum Ende der Monarchie im Irak. Im darauffolgenden Jahrzehnt folgten weitere Staatsstreiche verschiedener nationalistischer Akteure. 1968 erlangte schließlich die Baath-Partei (Hizb al-Ba´th) die Macht im Irak. Die Partei verfolgte nach eigenen Angaben eine panarabische, säkulare und sozialistische politische Agenda.

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