Syrisches Abstammungs- und Sorgerecht

Die folgenden Bestimmungen finden grundsätzlich auf alle (muslimischen) Syrer Anwendung. Einige abweichende oder ausschließlich eigene religiöse Bestimmungen gelten für Drusen, Christen und Juden.


Personalstatutsgesetz v. 1953 (PSG)1

 

Viertes Buch: Die Rechtsfähigkeit und die Vertretung nach islamischen Recht
Erster Titel: Materielle Bestimmungen (Art. 162 – 206)

3. Kapitel – Die Vormundschaft in persönlichen Angelegenheiten und die Vermögenssorge für den Minderjährigen sowie deren Entziehung (Art. 170 – 175)
 

Die Vormundschaft in persönlichen Angelegenheiten (wilâya ´alâ n-nafs)


Art. 170
(1) Der Vater und nach ihm der Großvater väterlicherseits üben die Vormundschaft in persönlichen Angelegenheiten und die Vermögenssorge aus. Sie sind zu ihrer Ausübung verpflichtet.
(2) Andere Verwandte sind in der durch Art. 21 bestimmten Reihenfolge zur Vormundschaft in persönlichen Angelegenheiten berufen, nicht dagegen zur Vermögenssorge.
(3) Die Vormundschaft in persönlichen Angelegenheiten umfasst: die Erziehung, die Sorge für die Gesundheit, die [Ermöglichung der] Schulbildung, die Hinführung zu einer Erwerbstätigkeit, die Zustimmung zur Eheschließung sowie sonstige Maßnahmen zur Betreuung des Minderjährigen.
(4) (ÄndG Nr 34/1975 v 31.12.1975, alle Fassungen) Die Verletzung der Schulpflicht des Kindes durch den Vormund in persönlichen Angelegenheiten stellt einen Grund dar, ihm dieses Recht zu entziehen. Entsprechendes gilt für den Fall, dass die Personensorgeberechtigte die Durchsetzung der Schulpflicht des Kindes verweigert oder vernachlässigt.

Art. 171
Wird im Falle einer Schenkung an den Minderjährigen ausbedungen, dass der Vormund in persönlichen Angelegenheiten nicht über die erlangte Zuwendung verfügen darf, so bestellt das Gericht eigens einen Vormund (wasî) für die Verwaltung der Zuwendung.


Die Vermögenssorge (wilâya ´alâ l-mâl)


Art. 172
Der Vater oder bei dessen Fehlen der Großvater väterlicherseits haben unter Ausschluss jeder anderen Person die Vermögenssorge für den Minderjährigen inne, die die Erhaltung, Verwaltung und Nutzung des Vermögens umfasst. Die Vermögenssorge kann dem Vater oder dem Großvater väterlicherseits nur entzogen werden, wenn feststeht, dass sie das Vermögen veruntreut haben oder schlecht gewirtschaftet haben. Es ist ihnen untersagt, Schenkungen aus dem Vermögen des Minderjährigen oder aus den Erträgen seines Vermögens zu tätigen. Der Verkauf oder die hypothekarische Belastung von Grundstücken kann nur mit der Genehmigung des Richters erfolgen, nachdem die Notwendigkeit eines solchen Rechtsgeschäfts festgestellt wurde.

Art. 173 (ÄndG Nr 34/1975 v 31.12.1975, alle Fassungen)
Das Gericht entzieht oder beschränkt die Vermögenssorge, wenn das Vermögen des Minderjährigen etwa durch Misswirtschaft gefährdet ist oder wenn eine solche Gefährdung zu befürchten ist. Der Richter kann einzelne dem Vermögenssorgenden obliegende Aufgaben der zur Personensorge berechtigten Person übertragen, wenn er feststellt, dass das Kindeswohl dies erfordert und der Vermögenssorgende angehört wurde.

Art. 174
Die Vermögenssorge ruht, wenn der dazu Berechtigte verschollen ist, wenn er entmündigt ist oder wenn er inhaftiert und das Wohl des Minderjährigen durch die Inhaftierung gefährdet ist. Hat der Minderjährige keinen anderen Vermögenssorgenden, so ist ihm einstweilen ein Vermögenssorgender zuzuweisen.

Art. 175
Bei einem Interessenkonflikt (ta´ârud) zwischen den Interessen des Vermögenssorgenden und des Minderjährigen oder zwischen den Interessen mehrerer Minderjähriger untereinander bestellt das Gericht einen Vormund (wasî).



 



1 Gesetz Nr. 59 vom 17.09.1953, geändert durch Gesetz Nr. 34 vom 31.12.1975, Nr. 18 vom 25.10.2003, Nr. 76 vom 26.09.2010, Nr. 4 vom 07.02.2019 und Nr. 20 vom 27.06.2019.

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