Eherecht schiitischer Afghanen
Die folgenden Bestimmungen finden auf alle schiitisch-muslimischen Afghanen Anwendung, Angehörige aller anderen Religionsgemeinschaften unterliegen grundsätzlich dem Zivilgesetzbuch v. 1977.
Schiitisches Personalstatutsgesetz v. 2009 (afgh.-schiit. PSG)1
Abschnitt 2: Die Familie
Kapitel 7: Der Unterhalt (Art. 161-172)
Definition und Grundlagen für die Unterhaltspflicht
Art. 161
Zum Unterhalt gehören die üblichen Lebensbedürfnisse, die ein Mensch für gewöhnlich hat, wie Nahrung, Kleidung, Wohnstätte, medizinische Versorgung und Ähnliches. Eine Unterhaltspflicht besteht:
- 1 – in der Dauerehe.
- 2 – unter Verwandten gemäß den Bestimmungen dieses Gesetzes.
Unterhalt der Ehefrau
Art. 162
(1) Der Ehemann ist mit Eheschließung und dem Einzug der Ehefrau in seine Wohnstätte verpflichtet, ihr Unterhalt zu leisten. Bei Weigerung wird er zu ihrem Schuldner. Ist die Ehefrau bereit, zum Ehemann zu ziehen, verhindert dies aber der Ehemann, entfällt die Unterhaltspflicht nicht.
(2) Weigert sich die Ehefrau ohne religiösen oder gesetzlichen Grund, ihre ehelichen Pflichten zu erfüllen, ist sie nicht unterhaltsberechtigt.
Leistung des Unterhalts an die Ehefrau
Art. 163
(1) Der Unterhalt wird auf Wunsch der Ehefrau auf eine der folgenden Weisen geleistet:
- 1 – Der Ehemann hat die Lebensbedürfnisse der Ehefrau entsprechend den Vorschriften dieses Gesetzes zu befriedigen;
- 2 – Der Unterhalt der Ehefrau ist mindestens täglich in bar zu leisten.
(2) Der Unterhalt der Ehefrau ist ein Anspruch, der nicht durch Urteil entsteht. Weigert sich der Ehemann, den Unterhalt zu leisten, kann die Ehefrau ihren Unterhalt in angemessener Höhe aus seinem Vermögen bestreiten oder dies gerichtlich geltend machen. Ist der Ehemann verstorben, ist der Unterhalt aus seinem Nachlass zu leisten.
(3) Der Unterhaltsanspruch der Ehefrau besteht während der Wartezeit nach einer widerruflichen Verstoßungsscheidung, während der Schwangerschaft, nach einer unwiderruflichen Verstoßungsscheidung und nach Aufhebung der Ehe fort.
(4) Wird die Ehefrau wegen der Verletzung der Gehorsamspflicht widerruflich verstoßen oder hat sie ihre Gehorsamspflicht in der Wartezeit nach einer widerruflichen Verstoßung verletzt, erlischt ihr Unterhaltsanspruch, es sei denn, sie ist schwanger. In diesem Fall ist zwischen den Ehegatten zu schlichten.
(5) Ist der Ehemann zur Unterhaltsleistung nicht imstande, kann die Ehefrau gerichtlich die Scheidung beantragen. Wartet die Ehefrau bis der Ehemann leistungsfähig ist, gilt er als ihr Schuldner und die Ehefrau kann auch den Unterhalt für die Vergangenheit fordern.
(6) Hat der Ehemann bei der Eheschließung über seine Fähigkeit, den Unterhalt zu leisten, getäuscht, kann die Ehefrau im Falle seiner Leistungsunfähigkeit die Ehe annullieren lassen.
(7) Verbrauchbare Unterhaltsgegenstände (wie Lebensmittel und Brennstoff) gehen in das Eigentum der Ehefrau über. Unterhaltsgegenstände, die trotz Nutzung erhalten bleiben (wie Gold, Bekleidung und Geschirr), verbleiben im Eigentum des Ehemannes, es sei denn, sie wurden der Ehefrau übertragen.
Wohnstätte der Ehefrau
Art. 164
(1) Die Ehefrau ist verpflichtet, die Wohnstätte, die der Ehemann für sie besorgt hat, zu beziehen, es sei denn, ihr wurde bei der Eheschließung die Befugnis zur Auswahl der Wohnstätte eingeräumt oder ihr Aufenthalt in der Wohnstätte birgt für sie die Gefahr eines Vermögens- oder Personenschadens oder einer Ehrverletzung.
(2) Die Ehefrau kann sich aufgrund ihrer Stellung oder aufgrund von Gewohnheit und Tradition weigern, mit den Eltern des Ehemannes oder mit anderen Personen in der ehelichen Wohnung zusammenzuleben.
1 Gesetz über das Personalstatut der schiitischen Gemeinschaft [qânûn-e ahvâl-e shakhsiye-ye ahl-e tashayyo´], Gesetzblatt Nr. 988 v. 27.7.2009.