Eherecht aller Afghanen (außer Schiiten)
Die folgenden Bestimmungen finden grundsätzlich auf Afghanen aller Religionszugehörigkeiten Anwendung, mit Ausnahme schiitischer Muslime, die dem schiitischen Personalstatutsgesetz v. 2009 unterliegen.
Zivilgesetzbuch v. 1977 (ZGB)1
Kapitel 2: Personen
Teil 1: Natürliche Personen
Titel 7: Die Ehewirkungen (Art. 90–130)
Untertitel 1: Allgemeine Bestimmungen (Art. 90–97)
Art. 90
Eine wirksame und durchsetzbare Ehe lässt alle entsprechenden Rechtsfolgen, einschließlich der Unterhaltspflicht an die Ehefrau, des Erbrechts, der Abstammung und der Eheverbote aufgrund von Schwägerschaft, entstehen.
Art. 91
In Bezug auf die vollständige Leistung der Brautgabe gilt das ungestörte Alleinsein (khalvat-e sahîhe) des Ehepaars als Vollzug der Ehe, auch wenn der Mann impotent ist. Das gilt ebenso für den Beweis der Abstammung, die Unterhaltspflicht und das Eheverbot mit der Schwester der eigenen Ehefrau.
Art. 92
(1) Die Ehe zwischen einer muslimischen Frau und einem nichtmuslimischen Mann ist nichtig. Ein muslimischer Mann kann Angehörige der Buchreligionen heiraten.
(2) Die Ehe mit einer Angehörigen einer Buchreligion kann durch ihren religiösen Ehevormund (valî-ye ketâbî) im Beisein zweier Zeugen, die ebenfalls Angehörige einer Buchreligion sind, geschlossen werden. In den in diesem Artikel erwähnten Fällen gelten die Kinder als der Religion des Vaters angehörig.
Art. 93
Die Ehe mit einer Angehörigen einer Buchreligion nach der Ehe mit einer muslimischen Ehefrau und umgekehrt ist zulässig.
Art. 94
Wird eine ungültige Ehe vor Vollzug oder vor ihren Vorbereitungen gerichtlich aufgelöst, entsteht kein Eheverbot aufgrund von Schwägerschaft.
Art. 95
Eine nichtige Ehe entfaltet keine der Rechtswirkungen einer wirksamen Eheschließung, auch wenn die Ehe vollzogen worden ist.
Art. 96
Eine Ehe, die durch Angebot und Annahme geschlossen wurde, jedoch einige Voraussetzungen der Eheschließung nicht erfüllt, ist fehlerhaft (fâsed) und entfaltet nicht die Rechtswirkungen einer wirksamen Ehe.
Art. 97
(1) Eine fehlerhafte Ehe gilt vor Vollzug als nichtige Ehe.
(2) Der Vollzug der fehlerhaften Ehe begründet die Brautgabe, die Abstammung, die Eheverbote durch Schwägerschaft, das gerichtliche Scheidungsrecht und die Unterhaltspflicht.
Untertitel 2: Brautgabe (Art. 98–114)
Art. 98
Die gesamte Brautgabe wird durch den Vollzug, das ungestörte Alleinsein der Ehegatten oder den Tod eines Ehegatten fällig, unabhängig davon, ob der Tod vor Vollzug oder vor dem ungestörten Alleinsein eingetreten ist.
Art. 99
Die Ehefrau hat Anspruch auf die ausdrücklich vereinbarte Brautgabe. Ist bei der Eheschließung keine Brautgabe vereinbart oder wurde sie ausgeschlossen, ist die übliche Brautgabe geschuldet.
Art. 100
Alles, woran Eigentum erworben werden kann, kann als Brautgabe bestimmt werden.
Art. 101
(1) Die gesamte Brautgabe oder Teile von ihr können bei Eheschließung als sofort fällig oder gestundet vereinbart werden.
(2) Fehlt es an einer ausdrücklichen Festlegung, ist auf die Gewohnheit (´orf) zurückzugreifen. Bei einer gerichtlichen Scheidung oder bei Tod ist für die Leistung der gestundeten Brautgabe auf den früheren Zeitpunkt abzustellen, es sei denn, bei der Eheschließung ist ein bestimmter Zeitpunkt festgelegt worden.
Art. 102
(1) Der Ehemann kann nach der Eheschließung die Brautgabe erhöhen.
(2) Die Erhöhung erfordert folgende Kriterien:
- 1 – Die Erhöhung muss bestimmt sein.
- 2 – Die Ehefrau oder ihr gesetzlicher Vormund müssen die Erhöhung annehmen.
- 3 – Die Ehe muss zum Zeitpunkt der Erhöhung bestehen.
Art. 103
(1) Eine Ehefrau, die das gesetzliche Heiratsalter erreicht hat und im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ist, kann ihren Ehemann von der Leistung einer in bar bestimmten Brautgabe ganz oder teilweise befreien.
(2) Der Vater einer Ehefrau, die das in Artikel 70 dieses Gesetzes festgelegte Alter nicht vollendet hat, kann keinesfalls den Ehemann von der Leistung der Brautgabe befreien.
Art. 104
Eine Frau, die die Bestimmung der Brautgabe ihrem Ehemann überlassen hat und deren Brautgabe noch nicht bestimmt wurde, kann nach der Eheschließung und vor Vollzug die Bestimmung der Brautgabe verlangen. Der Ehemann ist zur Bestimmung der Brautgabe verpflichtet. Falls er dies verweigert, kann die Ehefrau vom zuständigen Gericht die Bestimmung einer üblichen Brautgabe verlangen.
Art. 105 (ÄndG Nr. 2007/1978 v. 19.1.1978)
Kommt es vor Vollzug oder dem ungestörten Alleinsein zu einer gerichtlichen Scheidung/Trennung (tafrîq), steht der Ehefrau die Hälfte der bestimmten Brautgabe zu.
Art. 106
Kommt es vor Vollzug oder dem ungestörten Alleinsein zu einer gerichtlichen Scheidung/Trennung (tafrîq) auf Antrag der Ehefrau, erlischt ihr Anspruch auf die Brautgabe vollständig.
Art. 107
Kommt es vor Vollzug oder dem ungestörten Alleinsein zur gerichtlichen Scheidung/Trennung (tafrîq), steht ihr eine Entschädigung (mot´e) zu, die Alltagskleidung und Ähnliches umfasst. Bei der Bestimmung dieser Entschädigung wird die finanzielle Leistungsfähigkeit des Ehemannes berücksichtigt, sie darf in keinem Fall die Hälfte der üblichen Brautgabe übersteigen.
Art. 108
(1) Kommt es vor Vollzug zur Verstoßungsscheidung und ist die Brautgabe ausdrücklich bestimmt oder stirbt der Mann, steht der Ehefrau keine Entschädigung zu.
(2) Erfolgt hingegen die Verstoßungsscheidung nach dem Vollzug, ist die Leistung einer Entschädigung an die Ehefrau zulässig, unabhängig davon, ob eine ausdrücklich vereinbarte Brautgabe vorliegt oder nicht.
Art. 109
Schließt ein Mann, der an einer zum Tode führenden Krankheit leidet, mit einer Frau die Ehe und bestimmt er für sie eine Brautgabe, die höher ist als die übliche Brautgabe, fällt der überschießende Teil unter die Vorschriften über letztwillige Verfügungen.
Art. 110
Die Brautgabe ist Eigentum der Ehefrau. Sie kann über die Brautgabe beliebig verfügen.
Art. 111
Hat eine Ehefrau die gesamte Brautgabe oder Teile von ihr vor oder nach deren Übergabe ihrem Mann schenkungsweise übertragen und kommt es zu einer Verstoßungsscheidung vor Vollzug, kann der Ehemann nicht die Hälfte der Brautgabe herausverlangen.
Art. 112
Ist Gegenstand der Brautgabe weder Bargeld noch vertretbare Sachen und hat die Ehefrau dem Ehemann die gesamte Brautgabe oder deren Hälfte schenkungsweise übertragen, kann der Ehemann im Falle einer Verstoßungsscheidung vor Vollzug nichts als Brautgabe herausverlangen.
Art. 113
Der Vater kann die Brautgabe seiner Tochter weder vollständig noch teilweise verschenken.
Art. 114
Die Ehefrau darf nicht gezwungen werden, ihre Brautgabe ganz oder teilweise an den Ehemann oder eine andere Person zu übertragen. Stirbt die Ehefrau, bevor ihr die gesamte Brautgabe übergeben wurde, können ihre Erben vom Ehemann, und im Falle seines Todes von seinen Erben, den nach Abzug des Erbteils der Ehefrau verbleibenden Teil der Brautgabe herausverlangen.
Untertitel 3: Wohnung (Art. 115–116)
Art. 115
Der Ehemann sorgt im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten für eine angemessene Wohnstätte für seine Ehefrau.
Art. 116
Ein mit mehreren Frauen verheirateter Mann darf seine Frauen ohne deren Zustimmung nicht zur Bewohnung derselben Wohnstätte zwingen.
Untertitel 4: Unterhalt (Art. 117–130)
Art. 117
(1) Eine gültige Ehe verpflichtet den Ehemann auch dann zum ehelichen Unterhalt, wenn die Ehefrau bei ihren Verwandten wohnt. Weigert sich die Ehefrau ohne rechtmäßigen Grund, die Wohnstätte des Ehemannes zu beziehen, entfällt seine Unterhaltspflicht.
(2) Die Ehefrau kann sich dann weigern, die Wohnstätte des Ehemannes zu beziehen, wenn dieser entweder keine gemäß Artikel 115 und 116 angemessene Wohnstätte bereitgestellt hat oder die sofort fällige Brautgabe nicht geleistet wurde.
Art. 118
Der Unterhalt der Ehefrau umfasst Nahrung, Kleidung, Wohnstätte und die ärztliche Versorgung im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Ehemannes.
Art. 119
Weigert sich der Ehemann, den Unterhalt zu leisten, oder hat er die Nichtleistung verschuldet, verpflichtet ihn das zuständige Gericht zur Unterhaltsleistung.
Art. 120
Die Inhaftierung des Ehemannes befreit ihn nicht von seiner Unterhaltspflicht, auch wenn er dazu finanziell nicht imstande ist.
Art. 121
Ist der Ehemann abwesend, ist der Unterhalt der Ehefrau aus dem Vermögen des Ehemannes, das als Unterhalt dienen kann und das für die Ehefrau verfügbar ist, zu bestreiten. Andernfalls ist es aus dem Vermögen zu bestreiten, das der Ehemann einem Dritten überlassen hat, oder aus einer Forderung, die der Ehemann gegen einen Dritten hat.
Art. 122
Die Ehefrau hat in den folgenden Fällen keinen Anspruch auf Unterhalt:
- 1 – wenn sie die Wohnstätte ohne die Erlaubnis des Ehemannes oder ohne triftigen Grund verlässt.
- 2 – wenn die Ehefrau ihre ehelichen Pflichten nicht erfüllt.
- 3 – wenn es ein Hindernis für ihren Einzug in die Wohnstätte des Ehemannes gibt.
Art. 123
Der Umfang des Unterhalts richtet sich nach der finanziellen Lage des Ehemannes, vorausgesetzt er unterschreitet nicht die Mindestbedürfnisse der Ehefrau.
Art. 124
Eine Erhöhung oder Minderung des Unterhalts richtet sich zum einen nach der Entwicklung der finanziellen Möglichkeiten des Ehemannes und zum anderen nach den ortsbedingten Schwankungen der Lebenshaltungskosten. Der Antrag auf Erhöhung oder Minderung des Unterhalts ist vor Ablauf von sechs Monaten nach seiner letzten Festlegung nicht zulässig.
Art. 125
Weigert sich der Ehemann, den Unterhalt zu leisten, ist er ab dem ersten Tag seiner Weigerung zur Unterhaltsleistung verpflichtet.
Art. 126
Eine geschiedene Frau hat von dem Tag [des Ausspruchs] der Scheidung bis zum Ende der Wartezeit Anspruch auf Unterhalt [Wartezeitunterhalt].
Art. 127
Der Antrag der geschiedenen Frau auf Wartezeitunterhalt ist unzulässig, wenn seit der Scheidung mehr als ein Jahr vergangen ist.
Art. 128
Die Unterhaltspflicht entfällt nicht, außer bei Erfüllung oder Befreiung.
Art. 129
Die Befreiung von der Unterhaltsleistung ist vor der Bestimmung der Unterhaltsleistung nichtig, unabhängig davon, ob die Bestimmung [nachträglich] einvernehmlich oder gerichtlich erfolgt. Nach Bestimmung der Unterhaltsleistung ist eine Befreiung hiervon dann wirksam, sofern sie sich auf vergangenen Unterhalt bezieht. Eine Befreiung von Tages-, Wochen-, Monats- oder Jahresunterhalt ist dann wirksam, wenn jeweils eine tägliche, wöchentliche, monatliche oder jährliche Zahlungsweise des Unterhalts bestimmt wurde.
Art. 130
Die Unterhaltspflicht des Ehemannes und die Forderungen, die gegen die Ehefrau bestehen, können auf Verlangen jedes der Ehegatten gegeneinander aufgerechnet werden.
1Zivilgesetzbuch [qânûn-e madanî], Gesetzblatt Nr. 353 v. 5.1.1977, idF der Änderungsgesetze.